Man wird ja noch mal utopisch sein dürfen …

 

Seit die Welt, zumindest unsere, digital funktioniert, ist alles möglich. Informationen rasen um den Globus. Wellen von Empörung, Solidarisierung und Nonsens schwappen durchs Netz. Jeder kann sich äußern, kann seine Lieder singen, seine Texte präsentieren, seine Bilder zeigen, gleichgültig welcher Qualität sie sind oder welche Haltung sie vertreten. Das Bunte greift Raum – schnell, uneingeschränkt und ebenso unübersichtlich. Die Möglichkeiten, die sich aus der Digitalisierung ergeben, sind in allen Lebensbereichen nicht zu überschauen. Damit drohen herkömmliche Strukturen zu zerbrechen, neue bilden sich. Man nennt es Fortschritt, ein Ding, dass sich noch nie aufhalten ließ, ob es einem nun passt oder nicht.

Natürlich kann man beklagen, dass Konzerne ihre Macht ausdehnen, auf Kosten anderer Gewinne an Land ziehen. Gewiss kann man fürchten, dass gerade immaterielle Güter wie Kunst und Kultur gefährdet sind, weil ihre Schöpfer nicht teilhaben am Mehrwert. Und ganz sicher bestehen solche Befürchtungen zu Recht. Wir als Menschen sind nun mal nicht so fix, wie der Fortschritt, den wir machen. Unsere Hirne ticken ja eher konservativ. Was die einmal gelernt haben, sitzt. Sie beziehen sich auf Bewährtes, favorisieren Sicherheit. Diese Präferenz wird vermutlich existenziell sinnvoll sein, andernfalls wäre sie nicht so haltbar. Damit steht sie diametral zu Neuem, zu einer Freiheit, deren Grenzen nicht auszumachen sind.

Nur: statt sich vor der Grenzenlosigkeit zu ängstigen, machen jene, die es können erst einmal Geschäfte, was jetzt nun nicht so besonders neu ist, sondern tradiert seit der Erfindung des Mehrwerts, ebenso wenig wie der Umstand, dass die, die es nicht können, nix vom Gewinn abkriegen. Da sind wir auch konservativ, systemisch betrachtet.

Kulturgüter zu schaffen, macht Arbeit. Arbeit sollte bezahlt werden. Zumindest funktioniert unsere Gesellschaft nach dem Prinzip, sieht man von all der Arbeit ab, die erbracht, aber ohnehin nicht bezahlt wird (Familienarbeit im weiteren Sinne z.B.). Blickt man an den Horizont des Buchmarkts (der Begriff schon alleine!), dräuen den Autoren und Verlagen die schwarzen Wolken der materiellen Verelendung. Das kann, folgt man den Befürchtungen, zu Lasten der immateriellen Inhalte gehen. Dennoch ist kaum zu erwarten, dass Menschen aufhören, Bücher zu schreiben, weil sie nix damit verdienen, weil sie ihr Leben nicht aus dem Gewinn finanzieren können. Außerdem gibt es wegen des technischen Fortschritts erstmalig die Chance für Jedermann, selbst produzierte Inhalte, öffentlich zu teilen.

Natürlich kann man fragen: Und wo bleibt die Qualität? Wer kümmert sich um die Rechtschreibung? Wer um die Distribution?
Die Antwort ist einfach: Niemand.
Auch darin besteht Grenzenlosigkeit.

Als Kulturhersteller befindet man sich also in einem Dilemma. Entweder man freundet sich mit der Macht der Gewinnmacher an, verdient minimal mit zu deren Konditionen, oder man ist raus. Oder?
Könnte man sich nicht auch einfach abwenden?
Könnte man sich nicht zusammenfinden und die Grundlage für deren Gewinne abschaffen? Soll nicht heißen, keine Bücher mehr zu schreiben. Nur eben keine für Geld. Keine in und für die herkömmlichen Strukturen.
Klar, dann muss Geld für Strom und Bort anderswo verdient werden, will man nicht über eine staatliche Alimentierung nachdenken, die ebensolches Joch wie das Konzernjoch bedeuten würde.
Logisch, dass dann weniger Zeit für die KreativKunstKulturArbeit bliebe. Aber würden sich nicht vielleicht Gemeinschaften von Idealisten zusammenfinden, die bedeutsame, wesentliche Geschichten erzählen, um sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen? Könnte daraus nicht eine ganz neue Qualität entstehen?

Na gut, das ist eine Utopie. Aber die Notwenigkeit einer Veränderung hat der Fortschritt bereits vorgegeben, unseren konservativen Hirnen zum Trotz.
Man kann sich weiter beklagen darüber, mahnen, sich fürchten, appellieren – oder … einen anderen Weg versuchen.

 

 

 

2 Kommentare

  1. Das klingt für mich eher nach Dystopie als nach Utopie. Den Gewinnmaximieren den Profit abzuschneiden und dafür mit dem Verlust der eigenen Wertschätzung (die sich nun einmal auch darin ausdrückt, dass jemand bereit ist, für unsere Leistung Geld auszugeben) zu zahlen brächte doch niemandem etwas. Schadet den einen ohne den anderen zu nutzen. Oder hab ich etwas falsch verstanden?

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    1. Naja, wenn man Wertschätzung monetär ausdrücken muss. Es hieße schon, den Stellenwert von in Geld ausgedrückter Wertschätzung zu reduzieren. Es würden sich ja auch neue Werte ergeben bzw. alte eine höhere Bedeutung wiedererlangen. Gemeinschaft z.B.

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